Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die im Januar 1919 gewählte und im März konstituierte bayerische Staatsregierung war aufgrund der gewalttätigen Unruhen nach dem Mord an dem ersten Ministerpräsidenten Kurt Eisner nach Bamberg ausgewichen. Von dort versuchte der neue Ministerpräsident Johannes Hoffmann den Freistaat von der Gegnerregierung der Arbeiter- und Soldatenräte zu befreien. Dazu versuchte er am Palmsonntag von Ingolstadt aus München vom Putsch zurückzuerobern. Dies scheiterte und führte zu einer weiteren kommunistischen Radikalisierung der politisch organisierten Arbeiter. Die Reichsregierung in Berlin/Weimar wollte der Erfolglosigkeit der Bayerischen Regierung abhelfen und entsandte württembergische und bayerische Truppen unterstützt von Freikörpersverbänden nach München. Weil Augsburg zum einen durch den Ausrufungsbeschluss am 03.April 1919 zur Räterepublik (den die Augsburger SPD aber bereits am 12.April 1919 wieder zurückgenommen hat) als Bestandteil das aus Sicht der Regierung Hoffmann zur widerrechtlichen Münchner Räterepublik stand und zum anderen wichtiger Verkehrsknotenpunkt zur Versorgung Münchens war, lag Augsburg im Aufmarschgebiet der Truppen. Die Augsburger SPD hatte aufgrund der Zusage Hoffmanns erreicht, dass Augsburg nicht durch die Regierungsgruppen eingenommen werden sollte. Daran hielt sich der befehlshabende Offizier aufgrund eines Verständnisirrtuns nicht und marschierte mit ca. 10.000 Mann von Göggingen kommend am Ostersamstag in die Stadt ein. Völlig überrascht versuchten ca. 800 Arbeiter dies zu verhindern. Aufgrund der waffentechnischen und numerischen Unterlegenheit kapitulierten die Arbeiter bis auf die Verbände aus Pfersee, Oberhausen und Lechhausen. Sie verteidigten die vermeintlich strategisch wichtigen Brücken am Osterwochenende. Die Widerstandsidee wurde getragen vom „Verrat“ der Staatsregierung an der Räterepublik, dem Zusagebruch Augsburg zu verschonen und der Furcht vor einem Massaker wie beim Spartakaufstand in Berlin. Nach erbitterten Gefechten, 11 Opfer auf Seiten der Kämpfer und 33 Opfer unter der Zivilbevölkerung beendete ein Waffenstillstand das ungleiche Gefecht. Damit und nachfolgend in München war das Vorhaben einer direkten und nicht auf militärische Macht aufbauenden Republik gescheitert.
Augsburgs Arbeiter und Zivilisten haben für die Idee einer basisdemokratischen Gesellschaft ihr Leben geopfert.
Blutostern 1919 ist ein wichtiger Bestandteil der Augsburger Geschichte. In Augsburg wird jedoch an keiner Stelle den Opfern gedacht.
Die SPD-Stadtratsfraktion stellt daher folgenden
Antrag:
1; An einer Lech und Wertachbrücke wird eine Gedenktafel mit folgendem Textvorschlag angebracht: Hier und an den Wertachbrücken verteidigten vom 20. bis 22. April 1919 Augsburgs Arbeiter ihre Idee von Demokratie und Gerechtigkeit vor den Freikorps- und Reichsgruppen. Für ihre Überzeugung ließen elf Arbeiter und 33 Zivilisten ihr Leben“
2; Die Augsburger Kommission für Erinnerungskultur wird bei der Entscheidung mit einbezogen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. gez.
Dr. Florian Freund Sieglinde Wisniewski
Fraktionsvorsitzender Stadträtin
In PDF herunterladen:SPD-Fraktion beantragt Gedenktafel für die Opfer des Blut-Sonntags 1919